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das bankgeheimnis wird zum bumerang. wirtschaft regional vom 28. februar 2009


reputationsschaden



Die Industrie verliert die Geduld

Das Bankgeheimnis wird zur Hypothek für die Exportwirtschaft. Die anhaltende Debatte um Steuerhinterziehung am Finanzplatz sorgt nicht nur dort für einen Reputationsschaden. Den ersten Unternehmern reisst jetzt der Geduldsfaden.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. – «Diese Kämpfe schaden dem Wirtschaftsstandort, das ist ganz klar», sagt Magnus Tuor, Chef und Mitinhaber der Messtechnik AG in Triesen. «Es ist Zeit, dass man das beendet.» Tuor und seine 50 Unternehmerkollegen in der Sektion Gewerbliche Industrie Liechtenstein (GIL) der Wirtschaftskammer Liechtenstein verfolgen seit Monaten mit Sorge, wie sich der Druck aus dem Ausland in der Steuerdebatte immer mehr verschärft und den Ruf des gesamten Standorts in Mitleidenschaft zieht (siehe Interview).

Wirtschaftssanktionen geplant
Vor Jahresfrist standen Forderungen nach Informationsaustausch in Verdachtsfällen von Steuerhinterziehung im Raum, später drohte Deutschland mit Wirtschaftssanktionen, inzwischen schmiedet auch die G20, die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt, an einem Sanktionsinstrumentarium für «Steueroasen» – beschlossen werden soll es bereits im April in London.

«Industrie in Geiselhaft»
«Das ist ein neuer Aspekt der Steuerdebatte», sagt Tuor, der als GIL-Präsident auch für seine Unternehmerkollegen spricht. «Jetzt wird die Industrie in Geiselhaft genommen, um in der Steuerfrage ein Einlenken zu erzwingen.» Auf eine G20-Sanktionsliste zu kommen, wäre «das Letzte, was wir jetzt noch brauchen können». Den Unternehmen geht es angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise bekanntlich ohnehin schon schlecht, der starke Franken macht es den Exporteuren zusätzlich schwer.

Jetzt noch mit Sanktionen konfrontiert zu werden, wäre eine «riesige Erschwernis», sagt Tuor. «Man bräuchte ja nur die Importzölle zu erhöhen und unsere Wettbewerbsfähigkeit wäre gewaltig eingeschränkt.»

Freie Märkte «existenziell»
Bei der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) betrachtet man die Steuerdebatte ebenfalls mit Sorge. «Die liechtensteinischen Industriebetriebe haben ein existenzielles Interesse am freien Export und an offenen Märkten», sagt LIHK-Geschäftsführer Josef Beck. Ein «diskriminierungsfreier Zugang» zu den internationalen Märkten sei von «existenzieller Wichtigkeit» für den Industriestandort Liechtenstein.

Tuor will sich bald mit Vertretern der LIHK treffen, um gemeinsam auf die Landesregierung zuzugehen. Tuor denkt an einen gemeinsamen Appell, die Steuerdebatte rasch zu beenden. Jetzt noch weiter zuzuwarten, sagt der Unternehmer, sei jetzt sicher «das Schlechteste».

«Man muss die Raupe sterben lassen»

Die Diskussion um Steuerhinterziehung und Bankgeheimnis schadet der gesamten Wirtschaft, nicht nur dem Finanzplatz, sagt der St. Galler Ökonom Peter Eisenhut.

Herr Eisenhut, die Debatte um das Bankgeheimnis kratzt zunehmend am Image. In der Schweiz machen sich Unternehmer inzwischen öffentlich Sorgen, dass ihr Geschäft unter der Diskussion um Steuerfluchtgelder leidet. Wird das Bankgeheimnis zunehmend zur Hypothek für die Industrie in der Schweiz und Liechtenstein?

Die ganze Diskussion um das Bankkundengeheimnis und Steuerdelikte sowie die Art und Weise wie die Wirtschaft und die Politik – insbesondere in der Schweiz – damit umgeht, schadet zweifellos unserem Ruf. Unter einem schlechten Image leidet die ganze Gesellschaft.

Wie wirkt sich die Bankgeheimnis-Debatte auf die Industrie aus? Erstmal ist sie ja ein Finanzplatz-Thema ...

Die Finanzbranche hat auch als erste Branche und besonders stark darunter gelitten. Aber eine schlechte Reputation des Finanzplatzes dehnt sich in der öffentlichen Wahrnehmung im Ausland auf die ganze Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft aus. Je intensiver die Debatten geführt werden und je länger sie dauern, desto mehr vernebelt sich die Differenzierung, desto mehr werden alle und alles in den gleichen Topf geworfen.

Wie kann sich eine solche Debatte konkret auf die Industrie auswirken?

Bei seinen Kunden schafft sich zwar jedes Unternehmen seinen eigenen Ruf, aber es wird zumindest teilweise auch mit seinem Heimatland identifiziert. So ist ein Land immer auch ein Botschafter für ein Unternehmen. Liechtenstein und die Schweiz stehen für Werte wie Zuverlässigkeit, Stabilität, Rechtssicherheit, Qualität, Demokratie usw. Geht das Vertrauen in diese Werte verloren, verlieren wir auch als Wirtschaftsstandort an Wettbewerbsfähigkeit.

Die aktuelle Liechtensteiner Steueraffäre währt inzwischen seit über einem Jahr.

Ja, aber die ganzen Diskussionen um Steuerbetrug und -hinterziehung dauern schon viel länger und der Druck auf die Schweiz und Liechtenstein nimmt schon seit Jahren vonseiten der EU, der USA und auch der OECD zu. Auf diesen zunehmenden Druck nur zu reagieren anstatt zu agieren, ist mit Sicherheit keine erfolgsversprechende Strategie. Man muss mit eigenen Angeboten und Forderungen seine Position stärken.

Mit welchem Ziel?

Mit dem Ziel, den Wohlstand unserer Länder mittel- und langfristig weiter zu erhöhen. Um dies zu erreichen, muss man sich den veränderten Zeiten anpassen. So bin ich der Meinung, dass es heute und vor allem morgen keine verständliche Haltung sein kann, bei einem Strafverfahren in einem Steuerdelikt im Ausland (auch bei Steuerhinterziehung) keine Rechtshilfe leisten zu wollen. Wir müssen das ausländische Recht anerkennen und für «Gebietsfremde» das Bankkundengeheimnis entsprechend anpassen – für «Inländer» gibt es keinen Anpassungsbedarf. Diese Bereitschaft zur Anpassung ist allerdings mit eigenen Forderungen bezüglich der Abschaffung von gewissen Steuerprivilegien in anderen Ländern sowie mit Übergangsfristen zu verknüpfen. Aber grundsätzlich gilt: Wenn ein Schmetterling entstehen soll, muss man die Raupe sterben lassen.

Dieser Weg bereitet vielen am Finanzplatz Liechtenstein Magenschmerzen. Was sagen Sie denen, die das Bankgeheimnis mit Zähnen und Klauen verteidigen wollen?

Ich glaube wie gesagt nicht an den Erfolg dieser Strategie. Sie erinnert mich an den Igel, der sich auf der Autobahn angesichts der drohenden Gefahren zusammenrollt und seine Stacheln zeigt.

Mal volkswirtschaftlich gefragt: Welcher Weg – Einlenken oder Beharren – wäre langfristig besser für die gesamte Liechtensteiner Wirtschaft?

Erfolg verspricht weder «Einlenken» noch «Beharren», sondern ein aktives Vorgehen mit konkreten Angeboten und ebenso konkreten Forderungen – eingebettet in einen kooperativen Geist und wenn möglich in Zusammenarbeit mit der Schweiz und anderen gleichgesinnten Ländern. (Interview: wfr)

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