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die steueraffäre stürzt liechtenstein in eine veritable krise. unter den führenden politikern in vaduz herrscht zwar reformwille, aber auch ratlosigkeit. für die zeitungsgruppe südostschweiz, chur, schweiz, im februar 2008

südostschweiz, chur, schweiz
Südostschweiz, Chur, Schweiz, Vorabwerbung und Textseite vom 24. Februar 2008.


22. Februar 2008

Eine Monarchie in Agonie
"Finanzplatzkrise mit überstaatlicher Dimension" – Ansonsten zerstrittene Regierungsparteien üben patriotischen Schulterschluss

Liechtenstein steht international am Pranger wie noch nie. Die aktuelle Steueraffäre ist nicht nur eine des Finanzplatzes. Unter der Hand ist längst von einer Staatskrise die Rede. Die Parole lautet jetzt Schadensbegrenzung.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. - Der Schock sitzt tief in und um Vaduz. "Im Vergleich mit dem, was hier im Moment passiert, war 1999 gar nichts", sagt Marcus Vogt, Präsident der regierenden Fortschrittlichen Bürgerpartei. Damals hatte der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) Liechtenstein als "Hort der internationalen Geldwäsche" bezeichnet und den Finanzplatz in seine bis dahin grösste Krise gestürzt. Diesmal geht es aber nicht nur um ein geheimes, der Presse zugespieltes BND-Dossier, diesmal geht es aus der Liechtensteiner Optik um Spionage und Datenklau. "Das gibt dem ganzen eine ganz andere Qualität", sagt Vogt. "Das beschäftigt die Leute."

Kanalinseln als grosse Gewinner?
Vor allem die am Finanzplatz selbst. Die Protagonisten der Verbände von Banken, Treuhändern und anderen Finanzintermediären geben sich seit dem Ausbruch der Krise vor gut einer Woche regelrecht die Klinken in die Hand: Tagelang jagte eine Krisensitzung die nächste. Die Angst geht um, dass verunsicherte Anleger ihre Gelder aus Liechtenstein abziehen, potenzielle Neukunden ihr Geld lieber in noch verschwiegenere Stiftungen auf die Kanalinseln oder nach Panama transferieren.

Und es beschäftigt die Politik. Die zwar nicht offen ausgesprochene, aber zwischen den Zeilen unverhohlenen und fast ultimativ klingenden Drohung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Deutschland könne den Schengen-Beitritt Liechtensteins torpedieren, stößt in Vaduzer Regierungskreisen ebenso bitter auf, wie der staatliche Aufkauf gestohlener Liechtensteiner Bankdaten durch den BND. Dazu kommt ein in Deutschland täglich weiter angefachter medialer Sturm, der mit Liechtenstein mit Schmähungen wie "Räuberhöhle" und "Raubrittertum" überzieht.

"Eine Welle der Solidarität"
"Von deutscher Seite wird im Moment wesentlich intensiver auf uns eingeschlagen als 1999", sagt Adolf Heeb, Präsident des kleineren Koalitionspartners in der Liechtensteiner Regierung, der Vaterländischen Union (VU). "Das ist eindeutig krasser." Und die Affäre beschränkt sich nicht nur auf den Finanzplatz allein: "Das ist ein Finanzkrise mit überstaatlicher Dimension", formuliert Heeb etwas umständlich, um das Wort von der Staatskrise zu vermeiden. Aber die Diagnose ist klar: Liechtenstein ist stark unter Druck. Es muss reagieren, vor allem die Politik. Die Frage ist nur, wie.

Zunächst mal mit einem Schulterschluss. "Wenn Liechtenstein von aussen angegriffen wird, werden alle Liechtensteiner zu Patrioten", sagt ein Kenner der politischen Szene. "Die Anwürfe aus Deutschland sorgen im Moment für eine Welle der Solidarität." Die schwappt auch über die beiden großen Parteien hinweg, die sich ansonsten gern und täglich in ihren Parteizeitungen attackieren. Ein Jahr vor der Landtagswahl ist man sich einig: Zum Wahlkampfthema taugt die Krise nicht. "Das wäre verantwortungslos", sagt VU-Präsident Vogt und sein Amtskollege von der FBP sekundiert: "Auf keinen Fall! Wir sitzen doch im gleichen Boot."

"Versachlichung" der Diskussion
Wie das aus der stürmischen See gelotst werden soll, ist freilich noch völlig unklar. Die Devise lautet erst einmal Schadensbegrenzung. Das gilt für Regierungschef Otmar Hasler (FBP), den Erbprinzen, die Treuhänder, die Banken und die Parteien. Alle rudern nach teils harschen Worten wieder zurück und bemühen sich um eine "Versachlichung" der Diskussion. Ob die sich auf die Fortsetzung der von Liechtensteiner Seite in den vergangenen Tagen fast gebetmühlenartig zitierten bereits laufenden Reformen beschränkt oder darüber hinausgeht, ist offen.

Nur so viel scheint schon klar: Die Diskussion wird nicht in die Richtung führen, die die linksliberale Freie Liste, Liechtensteins politisch unbedeutende und einzige Oppositionspartei propagiert. Die stellte sich in den vergangenen Tagen demonstrativ hinter die deutschen Forderungen nach einer "Austrocknung" der "Räuberhöhle" und "Steueroase" Liechtenstein. "Es kann nicht sein, dass inmitten der Staatengemeinschaft ein Staat sitzt, der aus Steuerflucht Kapital schlägt und aktiv damit wirbt", erklärte Parteipräsident Ego Matt in ausländischen Medien. "Der Finanzplatz Liechtenstein kann auch ohne Steuerhinterziehung leben."

"Aussitzen geht nicht"
"Ich frage mich schon, was das soll", schimpft FBP-Präsident Vogt angesichts solch unpatriotischer Äusserungen aus dem eigenen Land. Aber das Argument der Freien Liste trifft irgendwie schon ins Zentrum einer Debatte, die in Liechtenstein erst noch ansteht. Vogt formuliert es so: "Wir müssen etwas tun, damit der Finanzplatz seine Anerkennung in Europa behält". VU-Präsident Heeb pflichtet bei: "Aussitzen lässt sich die aktuelle Krise ganz sicher nicht." Auch über die Knackpunkte der Diskussion, die anonymen Stiftungen und die bislang verweigerte Rechtshilfe in Steuerhinterziehungsverfahren, müsse man "grundsätzlich nachdenken". Konkreteres bleiben die politischen Protagonisten im Land derzeit allerdings schuldig. Nur über eines ist man sich in der Regierung einig. VU-Chef Heeb: "Was wir tun, werden wir uns von Deutschland sicher nicht vorschreiben lassen."


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