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notoperation

um liechtenstein, österreich und die schweiz zur kooperation in steuerfragen zu zwingen, will bundesfinanzminister peer steinbrück jetzt die wirtschaft dieser länder in geiselhaft nehmen. aus wirtschaft regional am 24. januar 2009

steinbrück bankgeheimnis sanktionsdrohungen

Angriff auf die wunden Punkte

Deutschland hat seine Sanktionsdrohungen gegen Liechtenstein, Österreich und die Schweiz präzisiert: Im Streit ums Bankgeheimnis gerät damit neben den Banken auch die Industrie der ganzen Region ins Schussfeld.

Von Wolfgang Frey

Vaduz/Berlin. – Erst kürzlich hat Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück Ländern, die in Steuerfragen nicht im deutschen Sinne kooperieren und nicht schon im Verdachtsfall Kontendaten herausgeben, mit der «Peitsche» gedroht. Nun packt er sie aus. Im Visier hat er die ohnehin schon gebeutelten Finanzdienstleister und die unter der weltweiten Rezession leidenden Industriebetriebe.

Razzien ohne konkreten Verdacht
Nach dem von Steinbrück vorgelegten Entwurf für ein «Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz» müssten vermögende Deutsche mit einem Konto bei einer Bank aus diesen Ländern im Extremfall künftig auch ohne konkreten Verdacht Razzien der Steuerfahndung fürchten. Deutschen Firmen droht die nachträgliche Aberkennung steuerrelevanter Betriebsausgaben für Importe aus diesen Ländern. Damit trifft er Liechtenstein an zwei wunden Punkten: Die Banken im Land setzen vor allem auf vermögende Privatkundschaft – gerade auch in Deutschland -, und für die Industrie ist Deutschland der wichtigste Handelspartner.

«Es ist ein offenes Geheimnis, dass die liechtensteinischen Banken viele deutsche Kunden haben», sagt Bankenverbandssprecher Raphael Tschanz mit Blick auf die Steinbrückschen Pläne.
Auch in der Industrie verfolgt man die Angelegenheit mit Sorge: «Die liechtensteinischen Industriebetriebe haben ein existenzielles Interesse am freien Export und an offenen Märkten», sagt der Geschäftsführer der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer, Josef Beck. «Deutschland gehört neben den USA und der Schweiz zu den wichtigsten Absatzländern unserer Industriemitglieder.»

Bei Liechtensteins grösstem Arbeitgeber, dem Bautechnikkonzern Hilti, der rund zwei Dittel seiner Umsätze in Europa erzielt, zum deutschen Markt aber keine gesonderte Zahlen ausweist, will man sich zu den möglichen Folgen im Moment nicht äussern. Mediensprecherin Jessica Nowak sagt jedoch, man werde die Entwicklungen «sicherlich genau beobachten».

In der Liechtensteiner Regierung ist man besorgt. Wirtschaftsminister Klaus Tschütscher streicht die Bedeutung Deutschlands als «wichtigsten Handelspartner Liechtensteins» heraus: «Offene Märkte und ein ungehinderter Zugang zu den Märkten sind überlebenswichtig für unsere Industrien.»

Regierung lässt sich nicht drohen
Regierungschef Otmar Hasler sagt, die Regierung beobachte «die in Deutschland stattfindende Debatte genau», man nehme jedoch auch zur Kenntnis, dass es dort auch «breiten Widerstand» gegen den Vorschlag Steinbrücks gebe. Hasler stellt zugleich klar, dass sich Liechtenstein in Sachen Bankgeheimnis nicht erpressen lässt: «Die Drohungen aus Deutschland werden die liechtensteinische Position nicht verändern.» Die Regierung in Vaduz sei nach wie vor bereit, mit Deutschland beim Steuerinformationsaustausch einen «bilateralen Interessensausgleich» zu finden. Auf dieses Angebot hat Steinbrück bislang nicht reagiert.

 

«Wie die spanische Inquisition»

Im Streit um das Bankgeheimnis zieht Deutschland die Daumenschrauben an. Liechtensteins wichtigster Handelspartner droht de facto mit dem Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen. Die Folgen für die ganze Region wären drastisch.

Von Wolfgang Frey

Vaduz/Berlin. – Der Plan aus dem Berliner Bundesfinanzministerium hat es in sich. Und er entspricht in etwa dem, was Minister Peer Steinbrück im Herbst angedroht hatte: «Wenn wir auf europäischer Ebene nicht vorankommen, dann werde ich die Möglichkeiten nutzen, die ich habe – steuerrechtlich, finanzaufsichtsrechtlich und zollrechtlich.» Mit der «europäischen Ebene» meint Steinbrück das (Steuer-)Betrugsabkommen der EU mit Liechtenstein, das zwar schon ausgehandelt ist, aber von Deutschland blockiert wird, weil es Berlin nicht weit genug geht. Was die «Möglichkeiten» angeht, spricht der am vergangenen Wochenende bekannt gewordene Gesetzentwurf aus dem Hause Steinbrück nun Bände.

Unter Generalverdacht
Die geplanten Änderungen im deutschen Steuerrecht, die Steinbrück noch vor der parlamentarischen Sommerpause durch Bundesrat und Bundestag bringen will, würde es für deutsche Firmen faktisch höchst riskant machen, Waren bei Liechtensteiner Firmen oder ihren Töchtern in Deutschland einzukaufen. Denn sie können sich künftig nicht mehr sicher sein, dass sie diese Kosten in ihrer Bilanz auch als Betriebsausgaben verbuchen können. Sie müssten noch nach Jahren damit rechnen, sich für diese Geschäfte rechtfertigen zu müssen und neu selbst den Nachweis erbringen, dass der Einkauf nicht aus Steuerspargründen erfolgte. Gelänge dieser nicht, würden ihnen die verbuchten Ausgaben gestrichen, der Gewinn würde nachträglich höher ausfallen, Steuernachforderungen wären die Folge.

Und vermögende deutsche Kunden Liechtensteiner Banken oder ihrer deutschen Töchter, die Zinseinkünfte von mehr als 500 000 Euro im Jahr verbuchen, stünden mit der in dem Gesetzentwurf verankerten Umkehr der Beweislast unter dem Generalverdacht der Steuerhinterziehung und müssten künftig auch ohne konkreten Verdacht sogenannte «Aussenprüfungen» der deutschen Steuerfahndung fürchten. Wie die ablaufen kann, konnte man vor knapp einem Jahr bei der Razzia in der Villa des Ex-Chefs der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, live im Fernsehen mitverfolgen.

Drei Länder im Visier
Das Drohpotenzial der Pläne ist also hoch und richtet sich nicht nur gegen Liechtenstein. Steinbrücks Plan richtet sich gegen alle Länder, die auf ihrem Bankgeheimnis beharren und dem Verlangen nicht entsprechen, schon bei Verdacht auf Steuerhinterziehung Kontendaten an deutsche Finanzämter zu übermitteln.

Betroffen sind damit auch Österreich und die Schweiz, mithin die gesamte Bankenlandschaft und die exportorientierte Industrie im Fürstentum, im Schweizer Rheintal und in Vorarlberg. Allein die Liechtensteiner Wirtschaft exportiert pro Jahr Waren im Wert von 835 Mio. Franken nach Deutschland, das ist ein Fünftel aller Exporte. Sollte sich Steinbrück mit diesem Gesetz durchsetzen, wären die Folgen für die Liechtensteiner Wirtschaft im Extremfall «untragbar», sagt Magnus Tuor, Präsident der Sektion Gewerbliche Industrie der Wirtschaftskammer Liechtenstein.

Banker unter Druck
Und auch für die Liechtensteiner Finanzdienstleister ist die deutsche Kundschaft wichtig. Erst kürzlich hatte Prinz Max, CEO der grössten Liechtensteiner Bank LGT, im Interview mit dem «Wirtschaft regional»-Jahresmagazin die Bedeutung des deutschen Marktes unterstrichen: In Deutschland sei die LGT mit sieben Filialen onshore «ausgezeichnet positioniert» und wolle dort «weiter wachsen». Der «Weltwoche» hatte er kurz zuvor verraten: «Mit unserer Bank in Deutschland sind wir weit über dem Budget.»

Auch die Vaduzer VP Bank ist mit ihrer Tochter VP Vermögensverwaltung GmbH in München präsent. Zielgruppe laut Eigendarstellung: «sehr wohlhabende» Privatkunden.
Bankenverbands-Sprecher Raphael Tschanz sagte, man nehme die deutschen Pläne «sehr ernst», die möglichen Folgen für die Banken wären «nicht unbedingt angenehm».

Der deutsche Steuerexperte und Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass verglich die Steinbrückschen Pläne mit der «spanischen Inquisition». Auch damals habe man erst gefragt und wenn man die falschen Antworten bekommen habe, «dem Angeklagten die Folterinstrumente gezeigt». Aus Jarass' Sicht setzt Steinbrück mit seinen Vorschlägen genau dort an, wo es den Ländern, die in Steuerfragen aus deutscher Sicht nicht weit genug kooperieren, am meisten wehtut. Bei der exportabhängigen Wirtschaft und den vermögenden Privatkunden: «Gerade reiche Kunden wie die der LGT will man damit besonders treffen», sagt Jarass. «Und Liechtenstein muss sich jetzt überlegen, ob es die in Liechtenstein produzierende Industrie gefährdet.»

Betroffen sind laut Jarass auch die Töchter deutscher Firmen, die ihren Sitz in Liechtenstein oder der Schweiz haben, weil sie dort weniger Steuern zahlen. Der Experte strich im Gespräch mit «Wirtschaft regional» das Drohpotenzial der Steinbrückschen Pläne heraus: «Wir bräuchten eigentlich einen Diplompsychologen, um das ganze zu bewerten.»

Liechtenstein bleibt hart
Liechtensteins Botschafter in Deutschland Prinz Stefan sprach am Donnerstag im deutschen Frühstücksfernsehen entsprechend auch von einer «Kampagne» des Bundesfinanzministeriums mit «stark innenpolitischem Charakter». Er wiederholte das Liechtensteiner Angebot, mit Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abzuschliessen, auf das Berlin bis jetzt allerdings nicht reagiert hat. Die Liechtensteiner Industrie exportiere «viel in die EU und auch nach Deutschland», sagte er, für sie müsse man nun «gute Rahmenbedingungen finden».
Aus Bern heisst es, die Unternehmen seien «alarmiert». Offiziell wartet die Schweizer Landesregierung aber erst einmal ab. «Wir haben das zur Kenntnis genommen und verfolgen es», sagte ein Regierungssprecher.

«Nicht EU-kompatibel»
Im Wiener Finanzministerium hat man von den deutschen Plänen nur aus der Presse erfahren. «Wir wurden nicht offiziell informiert», sagte ein Sprecher. «Wir hoffen, dass sich die deutschen Kollegen nicht über EU-Recht hinwegsetzen; aus unserer Sicht stehen die Pläne klar im Widerspruch zu verschiedenen EU-Richtlinien.» Das weist man in Berlin zurück. Alles sei «europa-konform», heisst es im Hause Steinbrück. Beobachter bewerten die Pläne Deutschlands, das jahrelang als «Lokomotive der europäischen Integration» galt, mit Blick auf die möglichen Folgen für die wirtschaftlichen Beziehungen in Europa dennoch als «beispiellos».

Entsprechend ist noch nicht raus, ob der Sozialdemokrat Steinbrück mit seinen Plänen in der Berliner Koalition durchkommt. Beim Koalitionspartner regt sich bereits Widerstand – kein Wunder, in Deutschland wird im September gewählt. Und während Steinbrück die Pläne noch vor der parlamentarischen Sommerpause durch Bundesrat und Bundestag bringen will, nennt der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Otto Bernhardt Steinbrücks Pläne einen «Rückfall ins 19. Jahrhundert».


dazu im blog. der streit ums bankgeheimnis nimmt bedenkliche züge an. deutschlands bundesfinanzminister peer steinbrück droht jetzt selbst dem eu-partner österreich de facto mit dem abbruch der handelsbeziehungen, wenn dieser das in seiner verfassung verankerte bankgeheimnis nicht aufgibt und deutschland schon im verdachtsfall all jene informationen ausliefert, die der deutsche fiskus zur jagd auf seine steuersünder gerne hätte. von der schweiz und liechtenstein gar nicht zu reden. >>> weiterlesen>

>>> zum referenzenentwurf für steinbrücks steuerhinterziehungsgesetz >>>

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