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notoperation

zum fall des bankgeheimnisses. ein leitartikel. vom
13. märz 2009.

leitartikel bankgeheimnis




erbprinz alois
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein verkündet die Abkehr vom Schwarzgeld.
[Vaduz, 12. März 2008. Foto: Wolfgang Frey]

Sag' beim Abschied leise servus

Von Wolfgang Frey

«Abschied», hat die deutsche Schlagersängerin Katja Ebstein einmal gesungen, «ist ein bisschen wie sterben». Gestern hat sich Liechtenstein regierungsamtlich vom Geschäftsmodell Schwarzgeld verabschiedet. Das ist in der Tat «ein bisschen wie sterben»: In Liechtenstein stirbt damit ein über Jahrzehnte äusserst lukratives Geschäftsmodell, das allerdings ohnehin schon im Sterben lag.

Derart dunkles Geld kam seit der am 14. Februar 2008 live im Fernsehen übertragenen Verhaftung Klaus Zumwinkels ohnehin nicht mehr. Wer wollte schon das Risiko eingehen, wie Zumwinkel wegen einer aufgeflogenen Liechtensteiner Stiftung öffentlich am Pranger zu stehen, darüber seinen Job zu verlieren und anschliessend auch noch öffentlich vor Gericht abgeurteilt zu werden? Nach dem Fall des Chefs der Deutschen Post AG war jedem steuerzahlungsunwilligen Steuerbürger nicht nur in Deutschland spätestens am 15. Februar klar: Das Risiko ist einfach zu gross. Und nicht jeder hat (wie Zumwinkel) eine Fluchtburg am Gardasee.

Folglich fliesst
seit inzwischen mehr als einem Jahr praktisch kein undeklariertes Geld mehr nach Liechtenstein. Treuhänder, die solches Geld jahrelang täglich diskret in Dutzende neue Stiftungen verpackt hatten, hatten seither auf einmal Zeit, Leserbriefe in den Landeszeitungen zu schreiben. Der Tenor war fast immer der gleiche: Verteidigt das Bankgeheimnis (und unser Geschäftsmodell).

Nun ist fast unmöglich,
etwas auch nur mit der geringstmöglichen Plausibilität zu verteidigen, das sich selbst überlebt hat, nicht mehr funktioniert und wie ein Virus inzwischen auch weit existenziellere Bereiche der Volkswirtschaft befällt und in ihrer wirtschaftlichen Prosperität bedroht. Der Reputationsschaden, der durch die Steueraffäre entstanden ist, beschränkt sich nicht auf einige schwarze Schafe auf dem Finanzplatz, er trifft die gesamte «Marke Liechtenstein», und das empfindlich.

Zu Recht haben sich zuletzt nicht nur prominente Bankiers und Vertreter des Liechtensteiner Gewerbes und der Industrie aus der Deckung gewagt und in seltener Offenheit ein rasches Ende des über ein Jahr andauernden regierungsamtlichen Lavierens ums Bankgeheimnis gefordert. Zu Recht, denn es geht längst nicht mehr um die «Affäre Zumwinkel».

Es geht längst nicht mehr um den äusserst kritikwürdigen (erfolgreichen) Angriff des deutschen Auslandsgeheimdienstes auf Liechtenstein, der mit dem Kauf gestohlener Konten- und Stiftungsdaten die Affäre ins Rollen brachte. Es geht längst nicht mehr um den ebenfalls äusserst kritikwürdigen Tonfall deutscher Politiker, die Liechtenstein als «Räuberhöhle» oder «Schurkenstaat» diffamieren. Es geht längst um viel mehr. Und deswegen ist Liechtenstein gestern auch nicht unter dem Druck deutscher Politiker wie Peer Steinbrück «eingeknickt».

Um was es inzwischen geht, hat Eugen Haltiner, Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht, vor gut zwei Wochen mit dem Wort «Wirtschaftskrieg» treffend auf den Punkt gebracht. Die Finanzmarktkrise hat die Weltordnung ins Wanken gebracht. Das Scheitern des «Laissez-Faire»-Kapitalismus neoliberaler Prägung, der der internationalen Finanzwelt in den letzten 20 Jahren durch schlichtes Wegsehen den Aufbau eines de facto unkontrollierten und höchst gefährlichen virtuellen Casinos ermöglichte, hat inzwischen die gesamte Weltwirtschaft erfasst und bedroht sie existenziell. Staaten, selbst in Westeuropa, bangen um ihre Zahlungsfähigkeit.

Angesichts drohender Staatsbankrotte steht für einige Kommentatoren bereits der Euro auf dem Spiel. Wer die milliardenschweren Konjunkturpakete in den Vereinigten Staaten bezahlen soll, ist fraglich. Noch finden die Staatsanleihen der US-Regierung Abnehmer, doch zahlreiche Beobachter aus der Finanzwelt stimmen schon in den Abgesang auf den US-Dollar als Leitwährung der Welt ein. Wenn Staaten – wie derzeit – ums Überleben, um ihre politische oder wirtschaftliche Vormachtstellung kämpfen, sich die Gewichte der Welt in einer Art und Weise tektonisch zu verschieben beginnen, wie es nicht einmal zu Zeiten des Falls der UdSSR der Fall war, darf man zu Recht von «Krieg» sprechen. Und im Krieg und in der Liebe sind bekanntlich alle Mittel erlaubt.

Es ist Unsinn, Steuerhinterziehung als Ursache der Finanz- und Wirtschaftskrise zu brandmarken oder «Steueroasen» als Auslöser derselben. Und es ist klar, dass die Staaten, die solche Argumente ins Feld führen, dies vor allem deshalb tun, um von ihrem eigenen innenpolitischen Versagen abzulenken. Die milliardenschweren Fehlspekulationen deutscher Landesbanken in Staatsbesitz sind dafür das beste Beispiel. Doch es geht nicht darum, recht zu haben. In diesem Wirtschaftskrieg geht es ums wirtschaftliche Überleben, auch für Liechtenstein.

Nicht umsonst setzen die USA, Deutschland und auch die 20 grössten Schwellen- und Entwicklungsländer (G20) die wirtschaftlichen Daumenschrauben an und drohen in Steuerhinterziehungsfragen «unkooperativen» Ländern mit Wirtschaftssanktionen. Staaten wie Liechtenstein, deren Finanz- und Realwirtschaft derart von ausländischen Kunden abhängig ist, können in dieser Situation weder Widerstand leisten, noch können sie ihn sich leisten.

Das Einzige, was in dieser Situation nützt, ist aus der Schusslinie zu kommen. Genau das hat die Regierung gestern getan. Spät, aber immer noch rechtzeitig vor dem G20-Gipfel am 2. April in London, bei dem Steueroasen nach politischem Gutdünken von Grossstaaten gelistet und mit Sanktionen belegt werden sollen. Und bevor das deutsche Bundeskabinett am kommenden Mittwoch über seine eigene Sanktionsliste entscheidet. Und das Kriterium für all diese und weitere Listen ist der kleinste gemeinsame internationale Nenner des OECD-Standards.

Die Regierung hat Liechtenstein mit dem Bekenntnis zur Einhaltung der OECD-Standards nicht nur aus der Schusslinie genommen, sie hat es auch in eine Art «Pole-Position» gebracht. Während Bern und Wien noch lavieren, ist Liechtenstein dem im Land (viel zu) viel zitierten Wort «proaktiv» gerecht geworden. In den Verhandlungen über bilaterale Abkommen könnte sich das als Trumpf erweisen und die kümmerliche Verhandlungsmasse etwas erhöhen.

Vor allem aber hat die Regierung dem Land, dem Finanzplatz, der Industrie und den Menschen zwischen Schaanwald und Balzers gestern eines verschafft: eine verlässliche Perspektive. Bankiers, Treuhänder und Industriebetriebe wissen jetzt, woran sie sind. Sie können wieder verlässlich planen. Und jene, die sich als Verlierer der gestrigen Regierungserklärung fühlen, hätten die Entwicklung seit der ersten Finanzplatzkrise im Jahr 2000 mit Leichtigkeit kommen sehen und wahrhaft proaktiv handeln können. Ein Blick auf die Geschäftspolitik der fürstlichen LGT Bank in Liechtenstein der vergangenen Jahre zeigt, wie das geht. Das grösste Geldhaus des Landes verabschiedet sich seit Jahren vom klassischen Offshore-Geschäft.

«Jeder Abschied», hat Katja Ebsteins Schlagerkollege Freddy Quinn einmal gesungen, «kann ein neuer Anfang sein». Dafür sind die Weichen jetzt gestellt.

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