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notoperation

steueraffäre und kein ende: zum jahrestag von liechtensteins 2/14. auszüge aus einem special für wirtschaft regional vom 14. februar 2009



ein jahr steueraffäre


Zumwinkels Vermächtnis

Heute genau vor einem Jahr begann mit der Verhaftung des deutschen Post-Chefs Klaus Zumwinkel die Steueraffäre und eine Finanzplatzkrise historischen Ausmasses. Sie hält das Land bis heute in Atem.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. – Für Klaus Zumwinkel ist die Sache ausgestanden. Der Exchef der Deutschen Post AG hat seine millionenschwere Steuerhinterziehung über eine Liechtensteiner Stiftung gestanden, wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und hat eine hohe Geldbusse bezahlt. Für die Akteure auf dem Liechtensteiner Finanzplatz steht der Zahltag erst noch bevor.

Der Ruf ist ruiniert
Die Reputation des Finanzplatzes hat durch die Affäre schwer gelitten und das wird sich in den Bilanzen der Banken und Treuhandunternehmen für das Affärenjahr niederschlagen. Liechtenstein kam das ganze Jahr über nicht aus den Negativschlagzeilen der internationalen Presse heraus, zahlreiche Kunden sind inzwischen abgewandert. Der Neugeldzufluss ist bei vielen Unternehmen am Finanzplatz versiegt und die offene Frage, wie es in Sachen Kooperation in Steuerhinterziehungsfragen weitergeht, verunsichert vor allem jene Kunden, die den Finanzplatz wegen seiner Diskretion traditionell schätzen.

Wie schwer das Renommee des Finanzplatzes Liechtenstein beschädigt ist, zeigt der Skandal um Glen Moreno in Grossbritannien. Nach tagelangen Protesten kündigte der Direktor der Gesellschaft, die dort die staatlichen Rettungsgelder für die Banken verwaltet, laut «The Daily Telegraph» am Donnerstag seinen Rückzug an. Kürzlich war in London bekannt geworden, dass Moreno mehrere Jahre für die LGT gearbeitet hatte.

Allein dies reichte bereits für einen Skandal, der die Zeitungen tagelang beschäftigte und für Aussagen wie diese des Abgeordneten Michael Fallon diese Woche im britischen Unterhaus: «Kann es wirklich richtig sein, dass die Gesellschaft, die über die Interessen der Steuerzahler wacht, von einem Mann geführt wird, der in Liechtenstein offenbar stark in Steuerhinterziehung verwickelt war?»

In den vergangenen Tagen bemühte sich LGT-CEO Prinz Max in mehreren Interviews mit deutschen Zeitungen, wieder etwas Gleichgewicht ins Liechtensteinbild zu bringen. Bei dieser Gelegenheit musste er einräumen, dass die grösste Bank des Landes in Liechtenstein während des Affärenjahrs eine Stange Geld verloren hat. In der «Welt am Sonntag» bezifferte er die Abflüsse auf mehrere Milliarden.

Der Druck steigt weiter
Zusätzlich wurde der Finanzplatz im Affärenjahr durch die internationale Finanzmarktkrise und den weiter steigenden Druck auf das Bankgeheimnis belastet. Verschiedene Staaten planen nun erst recht Sanktionen gegen Steueroasen und Liechtenstein zählt für sie fast schon naturgemäss dazu. Mit der Europäischen Union stehen auf deutschen Druck Neuverhandlungen über das Betrugsbekämpfungsabkommen an, das das Bankgeheimnis weiter aushöhlt. Und die OECD plant eine neue schwarze Liste von unkooperativen Steueroasen, auf der auch Liechtenstein erscheinen soll.

Die Affäre um den Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel ist grösstenteils ausgestanden. Sein Vermächtnis, die Krise des Finanzplatzes Liechtenstein, noch nicht.

 

LEITARTIKEL
«2/14» und kein Ende

Von Wolfgang Frey

Der 14. Februar 2008 ist nicht umsonst Liechtensteins «2/14». Die Krise, die die Verhaftung des Stifters und Steuerhinterziehers Klaus Zumwinkel an diesem Tag auslöste, ist die grösste, die der Liechtensteiner Finanzplatz bislang erlebt hat. Ein Liechtensteiner Spitzenpolitiker sprach kurz darauf in der «Südostschweiz» etwas umständlich von einer «Finanzkrise mit überstaatlicher Dimension», als wolle er das Wort «Staatskrise» unbedingt vermeiden. Im Rückblick wirkt die Diagnose treffend und geradezu weitsichtig.

Am 14. Februar 2009
ist die Reputation des Finanzplatzes, der rund ein Drittel der Liechtensteiner Wirtschaftsleistung erbringt, stark beschädigt. Das Ausmass des Schadens wird sich demnächst an den ersten Bilanzen der Banken und später an den Steuerausfällen des Staates messen lassen. Das klassische Stiftungs-Massengeschäft der Treuhänder ist Geschichte. Der Erfolgsfaktor Bankgeheimnis gerät vermehrt unter Druck. Nicht nur Deutschland, auch die G20-Staaten arbeiten an Sanktionen gegen Länder, die in Steuerhinterziehungsfragen nicht kooperieren.

Der Druck steigt – wirtschaftlich und politisch -, doch eine gemeinsame Zukunftsvision für den Finanzplatz Liechtenstein ist nach wie vor nicht in Sicht. Die Finanzbranche ist gespalten, hin und hergerissen zwischen «weiter so» und «vorwärts». Das hilft der Reputation erst recht nicht auf die Sprünge.

Was geschehen müsste, macht die LGT seit Monaten vor. Sie ist die einzige Stimme des Liechtensteiner Finanzplatzes, die an der Wiederherstellung der Reputation arbeitet und für positive Nachrichten sorgt – als Opfer des Datenklaus hat sie das selbst freilich auch dringend nötig.

Die LGT hat für ihre Treuhand-Tochter dem Schwarzgeld medienwirksam abgeschworen, was im Ausland gut angekommen ist. CEO Prinz Max persönlich hat sich zum Jahrestag in der letzten Woche auf eine Promotion-Tour durch Deutschland begeben und Interviews gegeben. Er hat von der Absicht der Liechtensteiner Regierung zu mehr Steuerkooperation gesprochen, aber auch für Verständnis geworben – und in Kauf genommen, dass er von den dortigen Medien wie ein Aussenminister wahrgenommen wurde.

Das Beispiel zeigt: Der Finanzplatz hat Möglichkeiten, seine Reputation zu verbessern. Er braucht einen Botschafter, der die gemeinsamen Interessen aller Branchen vertritt und um Vertrauen wirbt. Diese Möglichkeit sollte der Finanzplatz nutzen und nicht allein der LGT und ihren Interessen überlassen. Doch dazu müssten sich die Akteure erst einmal untereinander einig sein, wohin die Reise gehen soll – im Jahr zwei nach «2/14».

 

Die Risse reichen tief

Das Jahr eins nach der Verhaftung des deutschen Postchefs Klaus Zumwinkel hat zu einer tiefen Spaltung des Finanzplatzes geführt. Selbst nach zwölf Monaten Steueraffäre ziehen die Finanzplatzakteure nicht an einem Strang.

Von Wolfgang Frey

Vaduz. – Wie tief die Risse reichen, illustriert am besten eine Geschichte, die man nicht erzählen darf. Es ist die Geschichte von einer geheimen Gruppe einiger Finanzplatzteilnehmer, angeführt von einem prominenten Liechtensteiner Treuhänder. Dem Vernehmen nach tagt die Diskussionsrunde, die nach einer Perspektive für den von Steueraffäre und Finanzmarktkrise gebeutelten Finanzplatz suchen soll, mit dem Wissen von Regierungchef Otmar Hasler. Alle Teilnehmer, so heisst es, seien auf ihre absolute Verschwiegenheit verpflichtet worden. Und so weiss man von der Gruppe, die die Zukunft sucht, nicht viel mehr, als dass sie existiert. Das reicht für einige prominente Akteure am Finanzplatz allerdings bereits, um sich über diese Zusammenkünfte zu erzürnen – und vor allem darüber, dass sie dabei selbst nicht mit dabei sind.
Obwohl, sagt einer der Geheimen etwas abschätzig, diskutiert werde in der Gruppe ohnehin nicht viel: «Die Gruppe ist so geheim, da reden nicht mal die Teilnehmer miteinander.»

Entrüstung über ein Abkommen
Die Existenz der Geheimrunde ist symptomatisch für die Diskussionskultur am Finanzplatz: Geredet wird, wenn überhaupt, nur hinter verschlossenen Türen. Da zu solchen Runden meist nur die gewichtigsten Akteure und mit ihnen ihre eigenen Interessen Einlass finden, fühlen sich die Ausgeschlossenen, wenn sie am Ende in die Ergebnisse eingeweiht werden, düpiert.

Prominentester Ausfluss dieser Diskussionskultur war der Sturm der Entrüstung, der am Treuhandplatz losbrach, als im Herbst nach längeren Verhandlungen der Text des Abkommens mit den USA zum Informationsaustausch in Steuerhinterziehungsfragen bekannt wurde. Das sogenannte TIEA sichert den Banken bekanntlich den «QI»-Status, der den Instituten wiederum den Zugang zum US-Markt ermöglicht, zugleich aber das Bankgeheimnis aufweicht und an der Diskretion der Stiftung kratzt. Eine «Lex LGT» sei dieses TIEA, empörten sich deshalb umgehend einige Treuhänder, weil es eben vor allem den grossen Banken nütze. Zugunsten derer habe man «die Treuhänder geopfert».

Disput in einer Krisensitzung
Informiert wurden die Treuhänder über den lange geheim gehaltenen Abkommenstext erst wenige Tage vor seiner Veröffentlichung. Eigens dafür wurde Ende Oktober zur ersten ausserordentlichen Generalversammlung in der Geschichte der Treuhändervereinigung geladen. Sie geriet zur Krisensitzung und es wurde laut.

Auch im Bankenverband war das TIEA nicht unumstritten. Gerade Vertreter kleinerer Banken schmollen heute noch, gebraucht hätte es das Abkommen nicht unbedingt. Doch auch sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.

Als die LGT-Treuhand Steuerfluchtgeldern wenige Wochen später öffentlich abschwor, wurde die tiefe Spaltung der Finanzbranche erneut offenbar. Die Kommentare der Branchenvertreter reichten von «Bärendienst» bis «richtige Entscheidung».

Einigkeit über die Diagnose
Einigkeit herrscht am Finanzplatz ein Jahr nach dem Ausbruch der Steueraffäre lediglich über die Diagnose der Misere: Die Reputation ist dahin, das Vertrauen der Kundschaft ist durch die Datenklau-Affären bei der Liechtensteinischen Landesbank und der LGT ernsthaft erschüttert und vielleicht noch entscheidender: Der künftige Kurs ist unklar, was wiederum weder der Reputation nutzt noch das Vertrauen wiederherstellt.

An Ideen, wenn auch divergierenden, mangelt es nicht, wie diese Doppelseite zeigt. «Wirtschaft regional» hat dafür Finanzplatzteilnehmer und ihre Verbände um ihr Statement zum Jahrestag der Steueraffäre gebeten und ihnen bewusst selbst überlassen, welchen Schwerpunkt sie setzen möchten (siehe Boxen und Beiträge auf dieser und der folgenden Seite). Teils zwischen den Zeilen, teils überraschend direkt, gehen die Finanzplatzteilnehmer dabei auch mit der Diskussions- und Kommunikationskultur im Land ins Gericht und der Tatsache, dass eine tragfähige Zukunftsvision nach wie vor fehlt.

Angst vor einem Torpedo
«Wir ärgern uns, dass wir keine Informationen haben», heisst es hinter vorgehaltener Hand aus einem Branchenverband zur anfangs erwähnten Geheimrunde, die es bislang ebenfalls nicht geschafft hat, diese Zukunftsvision zu entwickeln: «Andererseits verstehe ich die Diskretion auch. Sonst würde doch jeder Vorschlag sofort wieder torpediert.»

Besser lässt sich die tiefe Spaltung des Finanzplatzes kaum auf den Punkt bringen.

 

Klare Worte zur Navigation

Während Bankiers und Treuhänder noch um die zukünftige Richtung des Finanzplatzes ringen, hat sich das Fürstenhaus bereits entschieden. Eine Spurensuche in fürstlichen Statements zur Steueraffäre.

Vaduz. – Am 19. Februar 2008, fünf Tage nach dem Ausbruch der Affäre, fand Erbprinz Alois deutliche Antworten auf die vielfältigen deutschen Schmähungen wie «Schurkenstaat» und «Räuberhöhle»: Den millionenschweren Ankauf gestohlener Kundendaten der LGT-Treuhand durch den deutschen Auslandsgeheimdienst BND betitelte er als «Hehlerei in grossem Stil», setzte hinzu, Deutschland habe das «weltweit schlechteste Steuersystem», noch «hinter Haiti» und im Übrigen seien Liechtensteiner Finanzdienstleister nicht «der verlängerte Arm deutscher Steuerbehörden.» Das klang standhaft.

Fast auf den Tag genau sechs Monate später, am 15. August, fand Erbprinz Alois erneut deutliche Worte. In den Verhandlungen mit der EU über das Betrugsabkommen war einige Wochen zuvor ein «substanzielles Verhandlungsergebnis» erzielt worden. Der «Trend zu einer verstärkten Zusammenarbeit» in Steuerfragen, so der Erbprinz in der Rede am Staatsfeiertag, sei «schon seit einiger Zeit absehbar» gewesen. «Die Rahmenbedingungen» für den Finanzplatz hätten sich «sicherlich geändert».

«Umfassende Kooperation»
«Die Zeiten, in denen sich die liechtensteinischen Finanzunternehmen für ihren Erfolg nur auf die politische Stabilität, den Schweizer Franken und das Bankkundengeheimnis in Steuerfragen verlassen konnten», seien «schon länger vorbei», stellte Erbprinz Alois fest. Liechtenstein sei «kein Offshore-Platz im eigentlichen Sinne», stattdessen verfüge das Land «neben dem Finanzplatz, dessen On-shore-Sektor immer stärker wächst, einen bezüglich Wirtschaftsleistung und Beschäftigten deutlich grösseren und äusserst erfolgreichen» Industriestandort. Die Zeit sei gekommen, so der Erbprinz, das liechtensteinische System der Rechts- und Amtshilfe im Bereich der Steuern «auf eine neue Grundlage zu stellen» und sich im Bereich der Steuerfragen «auf den gemeinsamen europäischen Nenner» zu begeben. Alle Staaten, die die liechtensteinische Tradition der Privatsphäre achteten und gemeisam «sinnvolle Lösungen für die gewachsenen Kundenbeziehungen» finden wollten, könnten mit «einer umfassenden Kooperation» Liechtensteins rechnen. Das klang nach aussen versönlich und nach innen nach einer Ermahnung.

«Oase der Stabilität»
Am 25. November traf Erbprinz Alois in Rapperswil mit den Staatsoberhäuptern der deutschsprachigen Länder zusammen. Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück hatte den aus seiner Sicht in Steuerfragen «unkooperativen Ländern» inzwischen die «Peitsche» angedroht, Liechtenstein Wirtschaftssanktionen in Aussicht gestellt und zugleich das bereits fertig verhandelte Betrugsabkommen mit der EU blockiert. In Rapperswil sprach der Thronfolger mit Blick auf die Steueraffäre und die globale Finanzmarktkrise von einer schwierigen Zeit und fügte an: «Wir bewegen uns in den jetzigen turbulenten Zeiten mehr und mehr von einer Steueroase zu einer Oase der Stabilität.» Das klang nach einem neuen Marketingkonzept für den Finanzplatz.

«Das Geschäftsmodell ist zu Ende»
Am Neujahrstag 2009 gab Fürst Hans-Adam II Radio Liechtenstein ein Interview. Das US-Informationsaustauschabkommen TIEA war seit einigen Wochen unterzeichnet und es zeichnete sich ab, dass das EU-Betrugsabkommen nachverhandelt werden muss. «Der Treuhandsektor wird sich umstellen müssen», sagte der Fürst. «Er wird nicht davon leben können, als einzige Dienstleistung die Steuerhinterziehung oder den Steuerbetrug anzubieten. Dieses Geschäftsmodell ist zu Ende. Das muss man ganz einfach sehen.» Das klang – in historischer Deutlichkeit – nach einer letzten Warnung. (wfr)

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