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leseprobepolitik

bitteres ende des geschäftsmodells diskretion: wie einem schweizer bankkunden sein schwarzgeld-erbe zum verhängnis wurde. wirtschaft regional vom 20. februar 2010

«Auf einen Kaffee» in Zürich

Das Erbe war fett: Eine Viertel Million US-Dollar. Andrew B. Silva hätte sich zur Ruhe setzen können. Doch er liess das Geld ruhen. Auf dem Zürcher Konto einer Liechtensteiner Stiftung. Nun schlägt das Erbe zurück: Silva droht eine fette Strafe.

Von Wolfgang Frey

Silvas Auftritt hatte etwas von einer Beerdigung. Am Dienstag erschien der ertappte Steuerhinterzieher und Chirurg im Distriktgericht von Alexandria im US-Bundesstaat Virginia im schwarzen Anzug und begleitet von einer weinenden Frau. Vor gut zwölf Jahren hatte der Amerikaner seine Mutter beerdigt, jetzt trägt er sein Schwarzgeld-Erbe zu Grabe. «Ich möchte wirklich alles korrigieren, was ich falsch gemacht habe», sagt er schliesslich. Er unterschreibt ein Schuldeingeständnis in der Hoffung auf eine milde Strafe.

Solch ein Szenario hatte sich Silvas Mutter nicht vorgestellt. Sie hatte sich voll und ganz auf den Schweizer Anwalt verlassen. Die Anklageschrift, die «Wirtschaft regional» vorliegt, beschreibt diesen «nicht angeklagten Mitverschwörer» als «Partner der Zürcher Niederlassung einer unabhängigen Schweizer Anwaltskanzlei». Studiert hat er in Zürich und New York, 1989 ist er in die Anwaltskammer «New York State Bar Association» eingetreten. Von ihm lernt Silvas Mutter die goldenen Regeln des Offshore-Bankings. Ihren Sohn weiht sie kurz vor ihrem Tod ein.

Ein Codewort fürs Treffen
Sie gibt Andrew B. den Namen des Anwalts und warnt ihn davor, diesen jemals anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben. Wenn er Kontakt aufnehmen wolle, müsse er dem Verwalter von Konto, Stiftung und Vermögen einen codierten Brief schicken, schärft sie ihm ein. Fortan genügt es, wenn Silva einen Brief nach Zürich schickt, um den Anwalt «auf einen Kaffee» zu treffen.

Zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter, im späten Frühjahr 1999, trifft sich Silva das erste Mal mit ihm in Zürich und lernt dort einige weitere der goldenen Regeln des grenzüberschreitenden Schwarzgeld-Bankings: Das Konto sei «streng geheim», am besten rede er mit niemandem darüber, empfiehlt ihm der Anwalt. Den Wunsch nach Kontoauszügen lehnt er mit der Belehrung ab, das sei viel zu gefährlich, er könne damit irgendwo erwischt werde, dann würde alles auffliegen. Wenn er Geld mit in die USA nehmen wolle, immer nur eine Summe unter 10 000 Dollar, denn alles andere müsse beim Zoll deklariert werden. Silva fährt mit 9000 Dollar im Gepäck wieder heim nach Virginia.

Panik in der Offshore-Welt
Zehn Jahre lang geht offenbar alles gut. In den Gerichtsunterlagen taucht das nächste Treffen erst Ende 2009 auf. Zu diesem Zeitpunkt hat sich die einst heile Offshore-Welt längst in einen panischen Ameisenhaufen verwandelt.

Über die Schweizer Grossbank UBS bricht 2008 eine Steuerhinterziehungsaffäre historischen Ausmasses herein, die die Bank fast ihre US-Lizenz kostet. Die 20 grössten Industrie- und Schwellenländer, allen voran die USA, Deutschland und Frankreich, blasen bald darauf zum globalen Kampf gegen Steuerhinterzieher und ihre -oasen. Der neue US-Präsident Barack Obama erklärt Steuerhinterziehern den Krieg.

US-Kunden werden zum Risiko
Viele Banken wollen ihre US-Kunden nun am liebsten so schnell wie möglich loswerden. Der Fall der UBS zeigt, wie gefährlich das Geschäft geworden ist. Die Schweizer Bank muss in den USA gut eine dreiviertel Milliarde Dollar zahlen, um einen existenzbedrohenden Prozess abzuwenden.
Weltweit liquidieren Banken die lange lukrativen Beziehungen mit ihren US-Kunden. Manche legen der Kundschaft ihr Geld einfach in den Safe. Hauptsache, es gibt keine Spuren mehr, die am Ende auch die Bank selbst – wie die UBS – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Bedrängnis bringen könnten.

Ultimatum für die Kundschaft
Andrew B. Silva ist für seine Bank ein Sicherheitsrisiko geworden. Im Sommer 2009 setzt ihm das Institut ein Ultimatum: Man werde sein undeklariertes Konto schliessen, bis Ende Jahr habe er noch Zeit, in die Schweiz zu kommen und sein Geld zu holen.

Der Name der Bank taucht in der Anklageschrift nicht auf. Wie die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg unter Berufung auf mit dem Fall vertraute Personen melden, handelt es sich um die Hongkong and Shanghai Banking Corporation, kurz HSBC mit Sitz in London, eines der weltweit grössten Finanzinstitute.

Zwei Geldbündel auf dem Tisch
Andrew B. Silva bleibt nur noch wenig Zeit. Im Oktober 2009 bittet er den Schweizer Anwalt um ein Treffen «zum Kaffee». Das findet nach Erkenntnissen der Ermittler Mitte Oktober statt. Silva erfährt, dass das Vermögen auf 268 000 Dollar angewachsen ist, er das Geld aber wohl oder übel in bar mitnehmen muss.

Kurz darauf trifft er sich mit einem Vertreter der Schweizer Filiale der kontoführenden Bank. Dieser aus Sicht der US-Justiz ebenfalls «nicht angeklagte Mitverschwörer» verweigert eine Überweisung in die USA, da sie Spuren hinterlassen würde. Stattdessen legt ihm der Banker zwei Geldbündel auf den Tisch. Einen «Klotz», wie die Anklage vermerkt, aus ungebrauchten, durchnummerierten 100-Dollar-Noten im Wert von 100 000 Dollar, einen zweiten im Wert von 15 000 Dollar. Andrew B. Silva entscheidet sich für den Postweg.

Heisse Ware im Ferienprospekt
Der Anwalt rät Silva, die Briefe, die jeweils nicht mehr als 10 000 Dollar enthalten sollen, von verschiedenen Postämtern nach Virginia zu schicken. Mit A-Post und B-Post, damit nicht alle auf einmal ankämen. Silva klebt die Scheine in Ferienprospekte ein, steckt diese in Umschläge. Der Anwalt lässt seine Sekräterin die Briefe nochmals inspizieren, um sicher zu sein, dass sie nicht verdächtig aussähen. Ausgestattet mit aus dem Internet ausgedruckten Karten, die den Weg zu vier verschiedenen Postämtern in Zürich zeigen, je rund vier Kilometer voneinander entfernt, bringt Silva sein Geld auf den Heimweg. In 13 Umschlägen schickt er 105 700 Dollar nach Hause, im Flugzeug nimmt er am 13. Oktober 9000 Dollar mit in die USA.

Ob Silva beunruhigt ist, als nicht all seine Post aus Zürich zu Hause ankommt, ist nicht überliefert. Vielleicht dachte er, ein Brief sei verloren gegangen. Statt dessen wurde dieser Umschlag am 23. Oktober bei seiner Ankunft von Beamten des US-Zolls beschlagnahmt. Inhalt: 8700 Dollar in neuen, durchnummerierten Hundert-Dollar-Noten.

Eine heikle Frage am Zoll
Silva macht sich wenig später zu einem weiteren «Kaffee» nach Zürich auf. Von seinem Anwalt erhält er einen Packen Geldscheine im Wert von 100 000 Dollar und einen kleineren im Wert von 20 000 Dollar. Silva packt zwölf Umschläge. Am vorletzten Novemberwochenende fährt er Briefkästen in Zürich, Luzern und Genf ab. In einem Umschlag packte er versehentlich 12 600 Dollar.

Am Montag, 23. November, landet er nach seinem Heimflug mit 9000 Dollar Bargeld im Gepäck auf dem Dulles International Airport. Am Zoll fragt ihn ein Inspektor, ob er kürzlich grössere Summen Bargeld in die Vereinigten Staaten geschickt habe. Silva verneint.

Reiche Beute bei der Razzia
Die Zollbeamten stellen insgesamt 110 200 Dollar in Briefen aus der Schweiz sicher, bevor sie bei Silva in Sterling, Virginia, ankommen. Bei der Durchsuchung von Silvas Haus am 10. Dezember finden sie 101 000 Dollar, die ebenfalls aus der Schweiz stammen.

Andrew B. Silvas Mutter hatte sich all die Jahre voll auf den Schweizer Anwalt verlassen. Silva vertraute seinem Hinweis, dass man Bargeld-Beträge bei der Einreise in die USA erst ab einem Betrag von 10 000 Dollar anmelden müsse. Das stimmt. Aber nach den US-Gesetzen ist es ebenso ausdrücklich verboten, einen grossen Geldbetrag auf diese Art zu stückeln, um seine Einfuhr zu verscheiern. Dass der diskrete Schweizer Anwalt, seine Sekretärin und der diskrete Schweizer Banker Silva auf diese Risiko aufmerksam gemacht hätten, geht aus den Gerichtsunterlagen nicht hervor.

Abgerechnet wird an einem Freitag
Silva steht wegen der Verschwörung zur Steuerhinterziehung und der Falschaussage vor einem Zollbeamten vor Gericht. Das Schwarzgeld, mit dem er beim Versuch, es aus der Schweiz in die USA zu schmuggeln, erwischt wurde, und jenes, was Polizisten bei der Razzia in seinem Haus in Sterling beschlagnahmt haben – insgesamt gut 210 000 Dollar -, ist weg. Die hinterzogenen Steuern muss Silva nachzahlen. Auf die Anklagepunkte stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu einer halben Million Dollar.

Die Urteilsverkündung hat der ehrenwerte Richter Liam O'Grady auf Freitag, 7. Mai, terminiert.


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